Von Sponsoring bis Klimaschutz: Immer mehr Unternehmen engagieren sich über das normale Geschäftliche hinaus – häufig ganz gezielt in ihrer Heimat. Was es bringt, gesellschaftlichen Einsatz zu zeigen.
Im Garten des Alice Salomon Berufskollegs trägt Engagement wortwörtlich Früchte. Die Schüler bauen dort zusammen mit regionalen Experten Gemüse an, das sie später im Schulkiosk und im Schulrestaurant verarbeiten. Die Stadtwerke Bochum unterstützen das grüne Klassenzimmer im Laufe der nächsten Jahre mit 30.000 Euro. Es ist eines der Zukunftsprojekte, die der Aufsichtsrat alljährlich für ein Sponsoring auswählt.
Am Alice Salomon Berufskolleg wird der Schulgarten zum Klassenzimmer, mit Unterstützung der Stadtwerke.
Von Schulgärten über Klinikclowns bis hin zur Jugendarbeit im Fußballverein: Insgesamt gibt der kommunale Energieversorger jedes Jahr rund eine Million Euro für Sponsoringprojekte aus. Ein Gutteil der Gelder geht dabei an Initiativen, die die Bochumer selbst auswählen, die sogenannten Bürgerprojekte.
Wie die Stadtwerke Bochum setzen sich immer mehr Unternehmen in Deutschland freiwillig für die Gesellschaft ein – für viele eine selbstverständliche Aufgabe, wie eine Befragung von Stifterverband und Bertelsmann Stiftung zeigt: Knapp 60 Prozent der repräsentativ ausgewählten Firmen gaben darin im November 2020 an, sie sähen sich in der Verantwortung, sich zu engagieren.
Oft steht dabei die eigene Heimat im Fokus. „Es gibt einen räumlichen Bezug: Viele Unternehmer tun sich gezielt in ihrer Region oder in ihrem Quartier um“, erklärt Prof. Matthias Kiese, der sich an der Ruhr-Universität Bochum mit dem Phänomen beschäftigt. Der Geograf spricht in diesem Zusammenhang von Corporate Regional Responsibility, angelehnt an den etablierten Begriff der Corporate Social Responsibility (CSR). Auch Kai Krischnak, verantwortlich für die Unternehmenskommunikation bei den Stadtwerken, sagt: „Unsere Aktivitäten sind ein klares Bekenntnis zu unserer Heimatstadt.“
Dass Unternehmen gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, hat Tradition: Die Wurzeln von CSR reichen bis ins Zeitalter der Industrialisierung zurück. Damals reagierten Unternehmer auf Forderungen nach besseren Arbeits- und Lebensbedingungen – indem sie Krankenhäuser und Wohnungen für Arbeiterfamilien bauten. Im Ruhrgebiet ist dieses Wirken bis heute an zahlreichen Stellen sichtbar: „Industrielle haben uns zum Beispiel Siedlungen wie die Essener Margaretenhöhe beschert“, sagt Kiese.
Heute deckt das bürgerschaftliche Engagement der Wirtschaft eine breite Palette an Aktivitäten ab: Vereine und Kulturveranstaltungen zu unterstützen, gehört ebenso dazu wie sich um das Wohlergehen der eigenen Mitarbeiter oder faire Handelsbeziehungen zu kümmern. Auch wer junge Start-ups fördert oder Aufträge gezielt vor der eigenen Haustür vergibt, übernimmt gesellschaftliche Verantwortung am Firmensitz. Die seit über 160 Jahren in Bochum ansässigen Stadtwerke etwa vergeben fast neun von zehn Aufträgen an Dienstleister und Lieferanten aus der Region.
Die Belange, für die sich Unternehmen einsetzen, haben sich im Laufe der Zeit gewandelt – neben sozialen rücken zunehmend weitere Aspekte in den Fokus. „Aktuell ist der Einsatz für die Natur und das Klima ein wichtiges Thema“, sagt Kiese. Auch bei den Stadtwerken: „Als Energieversorger stehen wir hier in einer besonderen Verantwortung“, erklärt Benjamin Zemlin, zuständig für den Bereich Nachhaltigkeit.
Aus diesem Grund investiert das Unternehmen in erneuerbare Energien und den Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge in Bochum. Doch nicht nur das: Die Stadtwerke begrünen Dächer, pflanzen insektenfreundliche Wiesen und brechen versiegelte Bodenflächen in Bochum auf. Sie stellen Fahrradstellplätze, Duschen und vergünstigte ÖPNV-Tickets zur Verfügung, damit ihre Mitarbeiter klimafreundlich zur Arbeit kommen. In der Kantine steht täglich ein CO2-armes Gericht auf dem Speiseplan – meist vegetarisch, mit Zutaten aus der Region.
Die Stadtwerke haben das Dach des Betriebshofs in Hamme bewusst bepflanzt.
Mehr Lebensqualität, mehr Nachhaltigkeit, mehr Wirtschaftskraft: „Unternehmerisches Engagement bringt Regionen wie dem Ruhrgebiet echten gesellschaftlichen oder ökologischen Mehrwert. Es schafft Dinge, die mit öffentlichen Mitteln allein oft nicht möglich gewesen wären“, so Kiese. Doch auch die handelnden Unternehmen profitieren – ihr Einsatz kann ein Wettbewerbsvorteil sein. Warum? Da wäre zum einen der offensichtliche Image-Gewinn. Zum anderen verbessern strategisch klug gewählte Aktivitäten die Standortbedingungen, steigern die Zufriedenheit der Mitarbeiter und machen die Firma in der Außenwahrnehmung attraktiver – zum Beispiel für gut qualifizierte Fachkräfte.
Tatsächlich ist das Thema Verantwortung ein Recruiting-Faktor: Gerade junge Menschen suchen heute gezielt nach Arbeitgebern, die Haltung zeigen und sich für eine bessere Welt einsetzen. „Wir merken, dass das zunehmend zum Kriterium wird“, bestätigt Zemlin.
Auch der VfL Bochum 1848 hat die Bedeutung verantwortungsvollen Handelns erkannt: „Corporate Social Responsibility bedeutet für uns nicht nur gesellschaftliches Engagement, sondern sich als Club ganzheitlich nachhaltig weiterzuentwickeln“, sagt Matthias Mühlen, im Verein zuständig für CSR. „Unsere Wirkung erzielen wir mit Projekten in der Region. Auf unseren Weg nehmen wir die gesamte VfL-Familie mit, denn nachhaltige Transformation gelingt nur in der Gemeinschaft. Ein Beispiel dafür ist die Installation einer Photovoltaikanlage auf dem Dach unseres Stadioncenters, die wir in Kooperation mit den Stadtwerken Bochum planen und umsetzen.“
Viele Gründe sprechen also dafür, als Unternehmen gesellschaftliches Engagement zu zeigen. Besonders nachhaltig sind dabei langfristige Projekte, die zur Stadt- und Regionalentwicklung beitragen. „Aber als einzelner Betrieb kann man auch im Kleinen etwas bewirken“, betont Kiese. Das habe sich zum Beispiel während der Corona-Pandemie gezeigt: „Ein Klassensatz Laptops kostet keine Millionen. Aber im Lockdown haben Sponsorings dieser Art vielen Schülern geholfen.“ Übrigens muss Engagement nicht immer finanzieller Art sein: „Auch wer seinen Mitarbeitern ermöglicht, während der Arbeitszeit für eine gute Sache tätig zu werden, macht einen Unterschied“, sagt Kiese.
Einen Unterschied machen wollen die Stadtwerke Bochum bald auch wieder mit ihren Zukunftsprojekten: Am 14. Juni hat die Bewerbungsphase für das Jahr 2023 begonnen – und es wird nicht die letzte sein, betont Kai Krischnak: „Als kommunaler Versorger werden wir unsere Verantwortung auch in Zukunft wahrnehmen.“
Das gilt auch beim Thema bürgerschaftliches Engagement. Zwei Anlaufstellen: