In der Weihnachtszeit sind die meisten Menschen enger zusammengerückt. Das sollten wir eigentlich immer tun. Denn die Gemeinschaft ist die größte Kraft, die wir haben.
Wir müssen viele Herausforderungen bewältigen. Die Energiewende und die Nachwirkungen der Corona-Pandemie sind nur zwei davon. Die gute Nachricht lautet: Gemeinsam können wir das schaffen. Denn das Gefühl, zu einer Gruppe zu gehören, ist gut für die Gesundheit, macht zufriedener – und setzt Energien frei. Anders gesagt: Der Mensch braucht soziale Kontakte, wenn er ein gutes Leben führen und etwas erreichen will. Umgekehrt ist sich die Forschung einig darüber, dass Einsamkeit regelrecht krank macht, und das nicht nur seelisch. Sie wirkt sich auf den Körper fast genauso schädlich aus wie Zigaretten oder starkes Übergewicht. Treffen mit engen Freunden, eine liebevolle Umarmung oder auch nur ein unerwartetes Lächeln an der Supermarktkasse können hingegen wahre Feuerwerke an Hormonausschüttungen auslösen, die alle dazu führen, dass wir uns besser fühlen.
Das Ausmaß der sozialen Bedürfnisse haben Wissenschaftler*innen sogar vermessen, auch wenn es individuell unterschiedlich ausgeprägt ist. Verschiedene Areale im vorderen Teil des Gehirns, dem präfrontalen Cortex, sind nämlich dafür verantwortlich. Noch interessanter für den Alltag ist eine Erkenntnis des Anthropologen Robin Dunbar von der britischen University of Oxford. Er hat festgestellt, dass Menschen, die mehr Freunde haben, Schmerz besser ertragen können. Der Schlüssel zu beidem scheinen Rezeptoren für die körpereigenen Glückshormone zu sein, die Endorphine. Wer gut eingebettet ist in die Gemeinschaft, ist für Herausforderungen und eventuelle Rückschläge also hervorragend gewappnet.
Aber nicht nur in schwierigen Zeiten ist es eine gute Idee, Seite an Seite mit anderen Menschen durchs Leben zu gehen. Den Begriff des Gemeinschaftsgefühls hat der österreichische Arzt und Psychotherapeut Alfred Adler schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts geprägt. Er sagte: „Das Einzige, was die Welt heute braucht, ist Gemeinschaftsgefühl.“ Das war 1916. Der Kerngedanke war damals der gleiche wie heute: Wir profitieren alle davon, wenn wir aufeinander achtgeben und zusammenarbeiten. Ein praktischer Aspekt kommt hinzu: Große Projekte und nachhaltige Veränderungen lassen sich in der Regel nur realisieren, wenn viele Personen mithelfen. Die Energiewende ist dafür ein gutes Beispiel. Wenn jeder Einzelne einen kleinen Beitrag leistet, sind die CO2-Einsparungen in der Summe groß. Auch das langfristige Ziel der Klimaneutralität können wir nur als Gemeinschaft erreichen. Das klingt abstrakt, aber es gibt viele Beispiele im Alltag, die zeigen, wie wichtig es ist, dass Menschen Hand in Hand arbeiten. Außerdem macht es gemeinsam viel mehr Spaß!
„Allein zu Hause, Ohne Arbeit, bin ich langsam verkümmert," sagt Heike Schubert.
Heike Schubert hat ihren Traumjob gefunden. Immer wieder steht jemand vor ihr, der etwas abgeben möchte oder den Weg nicht findet – Schubert betreut die Zentrale des Jugend- und Kulturzentrums Wittener WERK°STADT. „Ich kann helfen und habe viele Kontakte. Das genieße ich sehr.“ Denn lange Zeit hat die 56-Jährige fast nur in ihrer Wohnung gesessen – und sich Arbeit gewünscht. Nachdem sie viele Jahre am Fließband, in Büros und in Callcentern gearbeitet hat, wurde sie krank und schaffte es dann nicht, beruflich wieder Fuß zu fassen. „Für Menschen wie Heike Schubert sind wir da“, sagt Simon Traute vom Caritasverband Witten. Es gibt viele mögliche Gründe dafür, warum jemand lange Zeit arbeitslos ist. Manche kommen durch private Probleme aus dem Tritt, andere haben nie eine richtige Ausbildung gemacht. „Wir besprechen gemeinsam die individuelle Situation und suchen nach Plätzen, wo die Menschen sich ausprobieren können“, erklärt Traute. Um dies zu ermöglichen, bietet der Caritasverband im Auftrag des Jobcenters EN das Projekt „WIA – Wege in Arbeit“ an, dass sich an Bürgergeldempfänger*innen richtet. Dabei kooperiert er mit verschiedenen Wittener Einrichtungen und schafft so zum Beispiel Arbeitsgelegenheiten in Altenzentren, in Kindergärten, in der Hauswirtschaft, im Verkauf, im Büro oder in der Haustechnik. „Im Grunde genommen geht es darum, dass arbeitssuchende Menschen in einem geschützten Rahmen entdecken können, was ihre Stärken sind“, sagt Traute. „Dabei begleiten wir sie.“ Heike Schubert fing in der Wittener WERK°STADT an, wo sie mittlerweile fest arbeitet. „Ohne Hilfe hätte ich das wahrscheinlich nicht geschafft“, sagt sie.
Man schützt nur, was man schätzt – diese Aussage klingt nach einer Selbstverständlichkeit, hat in Bezug auf die Natur aber eine sehr große Bedeutung. „Viele Kinder sind kaum noch draußen unterwegs“, sagt Jürgen Heuser, Leiter der Biologischen Station Östliches Ruhrgebiet. „Eine unserer Aufgaben besteht daher darin, urbane Naturerfahrungsräume zu schaffen, also eine Wildnis für Kinder in der Stadt, wo sie frei spielen können und den Wert der Natur entdecken.“ Die Biologische Station bietet auch geführte Exkursionen mit Wildnispädagogen an. Heuser hat die Hoffnung, dass durch diese Arbeit viele Naturfreund*innen heranwachsen. Vielleicht setzen sich einige von ihnen später sogar dafür ein, die Natur zu erhalten. Denn auch das funktioniert nur in der Gemeinschaft.
„Erst durch gemeinsame Aktivitäten gehört man wirklich dazu," findet Miriam Venn von der Caritas Witten.
Im Kulturbereich sind ohnehin zahlreiche Projekte nur möglich, weil viele Menschen dahinterstehen, sei es finanziell in Fördervereinen oder bei der praktischen Arbeit hinter den Kulissen. So bietet zum Beispiel das TheaterTotal Bochum jedes Jahr bis zu 30 Jugendlichen und Erwachsenen eine Bühne – im wahrsten Sinne des Wortes. Sie werden angeleitet von professionellen Künstler*innen und können sich unter anderem ausprobieren in Schauspiel, Tanz, Gesang, Regieassistenz, Bühnenbild und Technik. Ihr gemeinsames Ziel: das Publikum zu begeistern. Damit gewinnen sie selbst eine Menge Selbstvertrauen. Ohne Spenden und Fördergelder wäre das nicht möglich. Auch die Stadtwerke Bochum unterstützen das TheaterTotal.
Auch die Integration von Flüchtlingen kann lediglich als Gemeinschaftsprojekt gelingen. Wohnraum, Arbeit und Sprachkurse sind natürlich unverzichtbar. Genauso wichtig ist es aber, den Menschen dabei zu helfen, dass sie bei uns ankommen. Gesellschaftliche Teilhabe ist daher ein wichtiger Punkt bei der Flüchtlingshilfe Bochum. Verschiedene Organisationen machen mit: Sportvereine bieten zum Beispiel Möglichkeiten zur Integration, Ehrenamtliche bieten Freizeitangebote für Kinder an, Menschen nehmen Flüchtlinge auf ihren Tickets für den Öffentlichen Personennahverkehr mit. Entscheidend ist dabei, dass Flüchtlinge und Deutsche zusammenkommen, mehr voneinander erfahren und sich gegenseitig unterstützen. Im Idealfall entsteht am Ende eine neue Gemeinschaft – die gemeinsam mehr schafft.