Elke Temme ist neue Geschäftsführerin der Stadtwerke-Bochum Holding GmbH. Nachhaltigkeit ist ihr wichtig, und sie geht mit gutem Beispiel voran.
Frau Temme, Sie sind eigentlich Finanzexpertin, aber seit vielen Jahren in der Energiebranche tätig. Ist das ein Zufall?
Nein, das war eine bewusste Entscheidung. Zu Beginn meines Berufslebens fanden gerade große Umwälzungsprozesse statt. Die Energiebranche bewegte sich immer stärker Richtung Wettbewerb, und neue Themen standen an. Kraftwerke mussten zum Beispiel plötzlich profitabel sein, während die Bedeutung der Erneuerbaren Energien wuchs und sich das Thema Netze zu einem eigenen Geschäftsbereich entwickelte. Das fand ich alles sehr spannend und wollte daran mitwirken.
Seitdem hat sich viel verändert, und die Energiewende ist sicherlich eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Ist es für Sie ein Antrieb, den Wandel mitgestalten zu können?
Unbedingt! Ich habe zwei Kinder und bin mir im Klaren darüber, wie wichtig es ist, der nachfolgenden Generation gute Voraussetzungen zu hinterlassen – auch wenn das nicht immer leicht ist. Es klingt vielleicht pathetisch, aber ich möchte die Welt ein Stückchen besser machen. Das heißt für mich vor allem, das Thema Nachhaltigkeit weiter voranzutreiben.
Was tun Sie denn privat dafür? Hat Nachhaltigkeit in Ihrem Alltag eine große Bedeutung?
Ich versuche zum Beispiel, beim Einkaufen so gut es geht auf Verpackungen zu verzichten. Im Haushalt spare ich Strom. Außerdem gehe ich möglichst häufig zu Fuß oder nehme das Rad.
Sicherlich fahren Sie auch ein Elektroauto?
Ja, und das schon seit acht Jahren, also nicht erst seit meiner Zeit bei Volkswagen. Ich fahre sogar elektrisch in den Urlaub bis nach Italien und zeige damit, dass es schon jetzt möglich ist. Es ist mir wichtig, meine eigenen – positiven – Erfahrungen sichtbar zu machen. Ich kann jeden nur ermutigen, es selbst auszuprobieren.
Gebürtig stammt Elke Temme (56) aus Wolfsburg, aber nach ihrem Studium der internationalen Betriebswirtschaftslehre zog sie mit ihrer Familie nach diversen Stationen nach Recklinghausen, wo sie seit mehr als 20 Jahren lebt. Mit der Energiebranche hat sie viel Erfahrung: 18 Jahre lang war sie in verschiedenen leitenden Funktionen bei RWE und dem Tochterunternehmen Innogy tätig. Zuletzt leitete sie bei Volkswagen den Bereich „Laden & Energie“. Bei den Stadtwerken Bochum übernimmt sie den neu geschaffenen Geschäftsbereich „Transformation“, in dem wichtige Zukunftsthemen gebündelt sind, etwa Wärmeversorgung, der Ausbau Erneuerbarer Energien, Elektromobilität, Wasserstoff sowie Glasfaser/Telekommunikation.
Viele Menschen fühlen sich vom Thema Energiewende überfordert und wissen nicht, wo sie anfangen sollen.
Das ist verständlich, aber ich glaube, am Ende sind es die vielen kleinen Dinge, die einen Unterschied machen, weil sie dazu führen, dass wir nach und nach umdenken. Ich bin keine Freundin der Extreme. Für alle sollte es ein gesundes Maß an Veränderungen geben. Das führt zu den besten Ergebnissen – dabei möchte ich mit gutem Beispiel vorangehen.
Welche Ziele werden Sie in den nächsten Jahren bei den Stadtwerken Bochum verfolgen?
Wir müssen die Wärme grün bekommen, die Stromnetze verstärken – aufgrund des steigenden Strombedarfs durch Wärmepumpen und Elektromobilität – und die Erzeugung des Stroms konsequent auf Erneuerbare Energien umstellen. Dabei sind diese Bereiche natürlich stark miteinander vernetzt, was die Energiewende insgesamt zu einem sehr komplexen Thema macht.
Können Sie ein Beispiel für die Vernetzung nennen?
Beispielsweise können wir noch nicht abschätzen, wie viel Strom wir zusätzlich benötigen werden, um die Ladepunkte für Elektroautos zu bedienen. Auch Wärmepumpen, die zunehmend installiert werden, benötigen Strom. Auf der anderen Seite entscheiden sich immer mehr Immobilienbesitzer für eigene Solaranlagen, produzieren einen Teil der benötigten Energie also selbst. Das macht es für uns schwer, einzuschätzen, wie sich der Bedarf in der Zukunft entwickelt. Trotzdem wollen wir sicherstellen, dass wir künftig 100 Prozent Ökostrom liefern können, verbunden mit den entsprechenden Erzeugungskapazitäten. Dafür müssen wir Strom aus erneuerbare Energiequellen in einem deutlich größeren Umfang selbst produzieren.
Was sind aus Ihrer Sicht weitere wichtige Themen?
Das Glasfaser-Netz, weil der Bedarf an schnellen Internet-Verbindungen rasant steigt. Das betrifft vor allem Unternehmen, die ihre Prozesse zunehmend digitalisieren, um zukunftsfähig zu bleiben. Glasfaser ist ein wichtiger Standortfaktor.
Können Sie schon konkrete Projekte nennen, die Sie in den nächsten Monaten anstoßen möchten?
Nein, so weit sind wir noch nicht. Selbstverständlich gibt es viele Ideen, sowohl von mir als auch von Mitarbeitenden, aber diese möglichen Ansätze werden wir mit dem ganzen Team diskutieren. Das ist mir sehr wichtig. Denn ich bin der Überzeugung, dass man nur gemeinsam gewinnen kann. Außerdem haben die Kollegen und Kolleginnen ja schon ausgezeichnet vorgearbeitet. Darauf können wir aufbauen.
Zuvor waren Sie bei großen Konzernen beschäftigt. Denken Sie, dass Sie in Bochum genauso viel bewirken können?
Das Tolle an Bochum ist, dass es sich um eine Stadt handelt, die selbst viel bewegen will, und bei den Stadtwerken ist der Gestaltungsspielraum sehr groß. Für mich persönlich ist es großartig, dass ich jetzt Projekte anstoßen kann und die Umsetzung vor Ort sehe. Vorher war meine Arbeit viel abstrakter. Außerdem sind die Stadtwerke Bochum als Regionalversorger gut vernetzt, was es aus meiner Sicht leichter macht, die verschiedenen Themen miteinander zu verknüpfen – für große Unternehmen ist es deutlich schwerer, integriert zu denken.
Das klingt so, als hätten Sie jetzt genau den richtigen Job für sich gefunden.
So empfinde ich es auch. Die Stelle ist mir wie auf den Leib geschnitten, und ich fühle mich im Ruhrgebiet einfach heimisch. Hier haben die Menschen das Herz am rechten Fleck. Für mich kommt privat hinzu, dass mein geistig behinderter Sohn in Bochum einen neuen Lebensabschnitt beginnt, den ich so stärker begleiten kann.
Also sind Sie auch beim Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein Vorbild?
Auf jeden Fall versuche ich es. Work-Life-Balance, Chancengleichheit, Frauenförderung, Diversity, Inklusion – ich halte es für wichtig, all diese Begriffe mit Leben zu füllen. Denn die Unterschiede zwischen den Menschen sind eine Bereicherung.
Die neue Spitze der Stadtwerke Bochum Holding GmbH bilden Elke Temme und Frank Thiel (auf dem Foto in der Mitte). Unter dem Dach der Holding gliedert sich die Stadtwerke Bochum GmbH ein, die jetzt gemeinsam von Frank Thiel und Robert Peric (rechts) geführt wird. Peric ist seit 1. Januar 2024 Mitglied der Geschäftsführung. Ebenfalls zur Holding gehört die Stadtwerke Bochum Netz GmbH. Ihr Geschäftsführer ist seit dem Jahr 2011 Holger Rost (links).