Die Digitalisierung hat durch die Corona-Pandemie einen gewaltigen Sprung nach vorne gemacht. Was wird bleiben? Und wie verändern die modernen Medien das Familienleben und den Job?
Am Küchentisch sitzt Jonas (12) mit seinem Tablet und macht Hausaufgaben, während seine 15-jährige Schwester Pia mit ihrem Smartphone nach oben geht. Sie ist online mit Freunden verabredet. Nebenan arbeitet ihre Mutter im Homeoffice, während der Vater seinen Laptop aufklappt: „Ich kaufe grad noch mal was ein.“ Sieht so die Realität in deutschen Familien aus? Noch nicht ganz. Aber der größte Teil davon ist bereits wahr geworden, zumindest vorübergehend, bedingt durch die Einschränkungen während der Corona-Krise. Vieles davon wird bleiben. Denn der Druck, die Zeit zu Hause zu verbringen und gleichzeitig das gewohnte Leben so gut wie möglich weiterzuführen, hat nicht nur zu einer technischen Aufrüstung geführt. Sowohl in Familien als auch in Unternehmen sind viele Schranken im Kopf gefallen.
Das digitale Arbeiten war für viele, aber längst nicht alle Schulen ein Sprung ins kalte Wasser.
Es ist gerade mal 13 Jahre her, dass Apple mit der Einführung des iPhones den deutschen Markt für Smartphones geöffnet hat. Wer heute Anfang 40 ist, hat sein Leben also noch weitestgehend analog verbracht – darum kommt es beim Thema Mediennutzung in vielen Familien zu Spannungen. Obwohl die Digitalisierung alle Altersgruppen betrifft, ist sie mit dem Alltag der Jugendlichen stärker verknüpft. Laut der aktuellen JIM-Studie (Jugend, Information, Medien) des Medienpädagogischen Forschungsverbund Südwest haben 95 Prozent der 12- bis 19-Jährigen ein eigenes Smartphone. Kein Wunder, dass die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung Eltern seit Jahren rät, die Online-Zeiten ihrer Kinder zu beschränken und dafür zu sorgen, dass sie Sport treiben, sich mit Freunden treffen und das Smartphone auch mal ganz zur Seite legen.
Esstisch statt Großraumbüro: Immer mehr Menschen arbeiten in ihrer eigenen Wohnung.
Das gilt nach wie vor, fiel durch COVID-19 aber zeitweise schwer. Denn die Schulen schlossen, Unterricht fand behelfsweise digital statt, und die meisten Eltern mochten auch die Zeiten für Social Media nicht begrenzen, weil es fast die einzige Möglichkeit für ihre Kinder war, mit Freunden in Kontakt zu bleiben. Gleichzeitig setzten sich viele Erwachsene intensiver mit der Technik auseinander, weil mehr als jeder dritte Jugendliche Hilfe brauchte, um den Computer fit zu machen für den Online-Unterricht. Viele Eltern sahen sich einer zusätzlichen Herausforderung gegenüber, weil aus ihrem Zuhause ein Homeoffice wurde. Das zeigen auch die Zahlen der Kommunikationsdienste. Ein Beispiel: Die Nutzerzahlen des Videokonferenzendienstes Zoom sind um das 30-Fache gestiegen. Moderne Medien haben also einen größeren Platz in den Familien eingenommen. Doch was bedeutet das alles für die Zukunft?
Schon zu Beginn der Krise haben Trendforscher vom Zukunftsinstitut in Frankfurt vorhergesagt, dass die Digitalisierung einen Schub erfahren wird. Dass diese Annahme zutrifft, überrascht wenig. Tatsächlich sind die Börsenwerte für viele Unternehmen, die sich mit digitalen Anwendungen beschäftigen, durch die Decke gegangen, und Eco, der Verband der Internetwirtschaft, rechnet für seine Branche mit einer Umsatzsteigerung von 75 Prozent bis zum Jahr 2025.
In Bochum unterstützt die Wirtschaftsentwicklung lokale Unternehmen bei der Digitalisierung, Angebote gibt es auf der Homepage. „Denn das Rad lässt sich nicht zurückdrehen“, sagt Ralf Meyer, Geschäftsführer der Wirtschaftsentwicklung. An den Schulen kehrt zwar der Präsenzunterricht zurück, NRW-Bildungsministerin Yvonne Gebauer hat aber ebenfalls Pläne für eine Digitalisierungswelle vorgestellt. 350 Millionen Euro will das Land ausgeben, um die Ausstattung der Schulen zu verbessern und die Lehrkräfte entsprechend zu qualifizieren. Das Tablet wird für die Hausaufgaben also früher oder später zu einem gewohnten Anblick werden. Für die Erwachsenen sieht es nicht viel anders aus. Arbeitsminister Hubertus Heil möchte ein Gesetz schaffen, das Arbeitnehmern ein Recht auf Homeoffice garantiert, wenn es die betrieblichen Belange erlauben – für mehr Familienfreundlichkeit und eine bessere Work-Life-Balance. Aktuell hängen solche Angebote vom Arbeitgeber ab. „Für uns ist das nicht neu“, sagt Nicole Misterek, Leiterin Personalservice bei den Stadtwerken Bochum. „Als modernes Unternehmen unterstützen wir flexible Arbeitszeitmodelle, inklusive Homeoffice.“ Während der Corona-Einschränkungen hätten die Arbeitnehmer ihr Equipment einfach mit nach Hause nehmen dürfen. „Ganz unbürokratisch, auf Vertrauensbasis“, betont Misterek.
Auch im Privatleben wird der digitale Schub voraussichtlich Bestand haben, beziehungsweise wohl weiter zunehmen. Das zeigt sich unter anderem an der älteren Bevölkerung, die als Risikogruppe während der Corona-Krise größtenteils besonders stark isoliert war. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik hatte daher Hilfestellungen für ältere Menschen veröffentlicht – sie sollten über Videotelefonie Kontakt mit der Familie halten. Offizielle Zahlen sind nicht bekannt, aber klar ist, dass die Nutzerzahlen von Diensten wie WhatsApp und Skype deutlich angestiegen sind. Wer einmal schätzen gelernt hat, wie nett es ist, Verwandte und Freunde auch zu sehen und nicht nur zu hören, wird diese Möglichkeit wohl weiterhin intensiv nutzen. Schon vor der Corona-Krise nutzten etwa 40 Prozent der Bevölkerung Videotelefonie.
40 Prozent nutzten Videotelefonie schon vor Corona
Auch die Telemedizin wird in den kommenden Jahren den Durchbruch schaffen – Online-Sprechstunden gibt es schon jetzt.
Der nächste Schritt in puncto digitales Leben steht bereits bevor. Mediziner rechnen mit mehr Geld und Akzeptanz für die Telemedizin: Seit Ende Mai sind Online-Sprechstunden in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erstattungsfähig. Währenddessen arbeitet der Handel an ganz neuen Konzepten: Per virtueller Realität (VR) soll es möglich werden, sich die entsprechende VR-Brille aufzusetzen und dann beim Online-Shopping optisch durch Geschäfte zu bummeln, statt nur Ware zu bestellen. Wird das Leben in der Zukunft also nur noch vor dem heimischen Computer stattfinden? Wohl kaum. Denn noch eines hat Corona gezeigt: Der Mensch ist ein soziales Wesen, und persönliche Begegnungen kann die beste Technik nicht ersetzen.
Erschienen im Kundenmagazin Meine Stadtwerke